RAK
Wie katalogisiert man ein Buch?
Ein Leitfaden nicht nur für Einsteiger
RAK
Fassung: 2011-11-22
Was sollen Bibliothekskataloge?      Material zu Regeln und Formaten Zur Zukunft des Katalogisierens

Vergleich: Kataloge/Suchmaschinen

Für Skeptiker gibt es ein weiteres Papier:
Wozu überhaupt katalogisieren?

Nicht nur Bücher kann man katalogisieren. Was hier beschrieben wird, gilt auch für andere Dokumente, und zwar sowohl für materielle wie für digitale Objekte. Ob deshalb ein grundlegendes Umdenken notwendig sein könnte, ein Paradigmenwechsel gar, wird an anderer Stelle behandelt.

Für das Katalogisieren gibt es Regeln. In Deutschland heißen sie zur Zeit noch RAK. Diese Regeln umfassen einige hundert Paragraphen. Wie kann man da den Überblick gewinnen? Sind sie alle nötig? Sind sie zu kompliziert? Wo und wie kann man vereinfachen? Werden die künftigen internationalen Regeln RDA (Resource Description and Access) einfacher und besser sein?   2009 erschien eine deutsch kommentierte Übersicht zu RDA von H. Wiesenmüller.

==> Ferner gibt es ein  inoffizielles deutschsprachiges Vorwort zu RDA mit Übersetzung der Einleitung, aktualisiert Mai 2015.

In der RAK-Datenbank wird es erstmals sichtbar: die Paragraphen sind bunt, und das nicht ohne Grund:


Mehrere Arbeitsschritte sind nötig, um ein Buch zu katalogisieren:

Schritt 0 Begriffe klären Man sollte wissen, wovon man redet.
Schritt 1 Bibliographische Beschreibung Welche Einzelheiten sind zu erfassen?
Schritt 2 Auswahl der Eintragungsstellen An welchen Stellen soll man's hinterher finden können?
Schritt 3 Ansetzung der Namen und Titel Wie sind die Namen und Titel zu schreiben? 
Schritt 4 Einordnung Wie will man die Daten sortiert haben?

Bei den einzelnen Schritten sind unten jeweils die zuständigen Kapitel und Paragraphen der RAK angegeben. Ein Klick blättert dann die Übersicht auf. Zuerst aber ein paar Vorüberlegungen, die noch nicht zu den Regeln gehören:

Was katalogisieren wir überhaupt?
Zu entscheiden ist, ob man nur physische Objekte als Ganzheiten (also z.B. Bücher), oder auch die darin enthaltenen unselbständigen Teile (Kapitel, Beiträge, Aufsätze = inhaltliche Objekte), ob man jeden Band eines mehrteiligen Werkes oder nur das Gesamtwerk katalogisieren sollte - weil ja die Leser nicht primär an den Objekten, sondern an deren Inhalt interessiert sind. So ist es z.B. auch bei Musik-CDs: man möchte nach jedem darauf befindlichen Stück suchen können, und man kennt sogar oft gar nicht den Titel, der außen auf der CD steht.
Was also nehmen wir in den Katalog auf? Kataloge bestehen aus vielen einzelnen Beschreibungen von Gegenständen der Welt des Wissens, könnte man sagen, aber was für Gegenstände? Wie kann man sie abgrenzen, individualisieren, als Einheiten fassen, die es dann einzeln zu beschreiben gilt? Und wie nennt man eigentlich dann diese Einheiten, wenn es nicht die physischen Objekte und nicht mehr nur Bücher sind? "Medieneinheiten"? "Objekte"? "Ressourcen" womöglich (engl. resources)? Will man einen allzu gestelzten Sprachgebrauch vermeiden, ist vielleicht Dokument ein brauchbares Wort, oder Publikation, wenn man schon kein ganz genau passendes findet.
Die Frage nach dem Was beantworten z.B. manche Spezialbibliotheken anders als Allgemeinbibliotheken, indem sie auch Aufsätze, Festschrifts- und Tagungsbeiträge katalogisieren.

Aber noch was zum Inhalt, um den es ja dem Suchenden eigentlich geht: Das Abstrakte des Inhalts, also die geistige Leistung, wird immer als Werk bezeichnet - obwohl es auch nicht leicht zu sagen ist, was "Werk" denn genau bedeutet. Aber wie auch immer, im Katalog möchte man erkennen, um welches Werk es sich handelt. Doch was man konkret im Moment des Katalogisierens in der Hand hat, die sog. Vorlage, das ist nicht das Werk selbst, sondern nur ein Exemplar einer Ausgabe des Werkes. Wobei aber, und das merkt man heute viel deutlicher als früher, die Ausgabe auch noch ein Abstraktum ist (engl. expression), denn es kann physisch verschiedene Versionen davon geben (engl. manifestation): Buch, Datei, Film, ..., jeweils mit unterschiedlichen Titeln in verschiedenen Sprachen. Solche Einzelheiten gilt es zu beachten und zu bedenken: ist dies wichtig für den Katalogbenutzer, soll man es also erwähnen, und wenn ja, in welcher Form? Nach heutiger Meinung ist jede vorhandene Version (und nicht nur jede Ausgabe!) ein Gegenstand, der für sich katalogisiert werden sollte. (Soweit war man bei RAK auch schon, aber man bezeichnete einfach alles als "Ausgabe", auch wenn es nur physisch verschiedene, aber inhaltsgleiche Versionen waren.)

Es geht hier nur um die Formalkatalogisierung (deshalb gab es den - inzwischen aufgegebenen - Plan, RAK durch RFK abzulösen)! 
Die Formalkatalogisierung kümmert sich nicht um den sachlichen Gehalt der Dokumente, sondern mehr um Äußerlichkeiten: meistens wird kaum mehr als das Titelblatt dabei betrachtet. Handelt es sich nicht um ein Buch, wird es schon schwieriger, die primäre Quelle der Katalogisierung festzulegen.
Leser sind aber selbstverständlich am sachlichen Gehalt interessiert, für sie ist deshalb die thematische Suche wohl wichtiger als alles andere. Dazu ist Sachkatalogisierung nötig, also die Zuteilung von Schlagwörtern und/oder die Einordnung in eine Systematik. Das ist ein Thema für sich.
Die Formalkatalogisierung ist deswegen aber nicht zweitrangig oder überflüssig, sondern sie ist eine notwendige Voraussetzung: sie liefert erst einmal Datensätze mit der nüchternen, objektiven Beschreibung der Objekte. Diese Datensätze sind dann mit Schlagwörtern und Systemstellen für die sachliche Suche anzureichern. Die Zuordnung zu einem Sachgebiet wird jedoch nicht selten subjektiv sein! Oder falsch, weil der Katalogisierende von der Sache nicht viel versteht... (Im Englischen wird interessanterweise subject gesagt für unser Wort Thema.)

Wenn heutzutage jemand katalogisiert, dann passiert das am Bildschirm (früher an der Schreibmaschine). Und dabei müssen Daten in Formularfelder eingetragen werden. Diese Datenfelder bilden zusammen ein Datenformat. Jedes System mag an der Oberfläche anders aussehen, die meisten haben aber intern ein bestimmtes, normiertes Datenformat, oder sie können wenigstens ihre Daten in einem Standard-Format ausgeben und auch solche Standard-Daten umwandeln und dann Daten mit anderen austauschen (daher die alte Bezeichnung "Austauschformat"). Bekannt sind die Standards unter Namen wie MAB, MARC, Pica3 oder Konsolidiertes Format (allegro), und 2006 erschien ein Neutralformat für Metadaten. An ein paar Beispielen kann man sehen, wie stark sich die Formate unterscheiden. Das Thema Bibliothekarische Datenformate ist ein dickes Kapitel für sich.

Tip: Fleißig abkupfern!
Nicht immer, aber immer öfter kann man zu einem Buch ein anderes finden, das schon katalogisiert ist: eine andere Ausgabe, ein anderer Titel vom selben Verfasser oder vom selben Verlag etc. Ganz legal kopiert man den Datensatz und ändert nur, was jeweils anders ist. Schlagwörter, Körperschaftsnamen, Serientitel und andere Einzelheiten kann man ebenfalls oft aus anderen Sätzen kopieren, falls man bei diesen Dingen nicht mit Normdatenverknüpfungen arbeitet. Das spart enorm Schreibarbeit und senkt das Fehlerpotential! Und nebenbei auch die Zeit, die man vielleicht zum Nachschauen im Regelwerk gebraucht hätte...

Hinweis: Im Ausland sind für die Formalkatalogisierung verschiedenste Varianten eines Regelwerks namens Anglo-American Cataloguing Rules (AACRII) in Gebrauch, und zwar normalerweise in Verbindung mit dem Datenformat MARC21. Für Interessenten gibt es einen Kurzüberblick für beides zusammen.
Für frühestens 2014 ist die schrittweise Einführung des ganz neuen Regelwerks RDA geplant.
Entwürfe werden in der Fachwelt seit 2006 diskutiert. Die Library of Congress möchte, daß vorher ein neues Datenformat wenigstens als Entwurf geschaffen wird. Dazu wurde Ende 2011 ein Rahmenkonzept veröffentlicht.

 
Farbe Schwarz auf Weiß (das spricht für sich)

Begriffe :  RAK-Kapitel 1  (§§ 1-36)    (RFK Kap. 0)   (RDA: Glossary [nicht frei zugänglich])

Worum geht es?
Man sollte wissen, wovon man redet - sonst denkt sich der eine dieses und die andere jenes, und das endet in einem Morast von Fehlverständnissen und im Chaos der Uneinheitlichkeit! Die Begriffe der Katalogisierung (z.B. Urheber, Ausgabe, Einheitstitel, ...) sind teilweise von der Umgangssprache oder Alltagsbedeutung ein gutes Stück entfernt, das ist nicht zu vermeiden. Zwar ist die Katalogisierung selber keine Wissenschaft, aber sie sollte mit ihrer Begrifflichkeit durchaus nicht weniger sorgfältig umgehen als eine Wissenschaft. Immer neue Fremd- und Kunstwörter sind dabei nicht unbedingt hilfreich...
Der Neuentwurf (RFK = Regeln für die Formal-Katalogisierung) hatte im ersten Kapitel alle Begriffserklärungen versammelt, während in den "alten" RAK-WB noch diverse Begriffe in anderen Kapiteln definiert wurden. Der Neuentwurf bemüht sich um zeitgemäße Begriffe, die nicht mehr in der Zettelwelt wurzeln, und dies tut auch das neue Regelwerk RDA. Z.B. ergeben "Nebeneintragung" (added entry) oder "Verweisung" (reference) keinen rechten Sinn mehr in einem Online-Katalog.

International hat die Dublin-Core-Bewegung das Verdienst, sich um eine präzise Begriffsbildung für Metadaten zu bemühen. Es wurde versucht, das DC-Vokabular mit dem der RDA zu harmonisieren. (DC ist weder ein Regelwerk noch ein Format, sondern nicht mehr als eine Liste von Begriffen mit Definitionen.)

Farbe Blau (wie Beschreibung)

Schritt 1. Bibliographische Beschreibung : RAK-Kap.2  (§§ 101-193)   (RFK Kap.1-12)  (RDA: Chapter 1-16)

Was ist zu machen?
Eine kurze, standardisierte Beschreibung, die möglichst genau die wesentlichen Angaben enthält, die das Buch knapp charakterisieren und die es von anderen unterscheidbar machen. Zum Beispiel so:


Der Mythos der Denkmaschine : kritische Betrachtungen zur Kybernetik / Mortimer
Taube. [Dt. Übers.: Wolfram Wagmuth]. - 19.-23. Tsd.
   Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1969. - 133 S.
(Rowohlts deutsche Enzyklopädie ; 245)
Originaltitel: Computers and common sense <deutsch>


Was ist dabei wichtig?
Vor allem das, was auf dem Titelblatt steht - doch nicht immer steht dort alles, was wichtig ist. Und nicht immer gibt es wirklich ein Titelblatt, wie z.B. bei AV-Medien und bei Online-Publikationen.
Dieser Schritt besteht hauptsächlich aus Abschreiben. Aber es gibt präzise Regeln bis zu den Details der Interpunktion, von welchen Stellen man welche Angaben und in welcher Form und Reihenfolge abzuschreiben hat, damit die Buchbeschreibungen erstens alles Wichtige umfassen und zweitens eine einheitliche Struktur erhalten trotz sehr unterschiedlicher Gestaltung der Veröffentlichungen.
Es gilt das Vorlageprinzip: alle Angaben sollen so genau wie möglich mit der Vorlage übereinstimmen, also mit dem Buch oder Objekt, das man vor sich hat. Nicht immer steht alles im Buch, evtl. müssen Angaben ermittelt werden. Nicht eben selten ist sogar das Erscheinungsjahr nicht oder schwer zu finden, leider besonders oft bei Web-Seiten.
Zu achten ist schon hier besonders darauf, ob es sich um ein neues Werk handelt oder um eine weitere Ausgabe (Auflage, Übersetzung, Umarbeitung, andere Version) eines früheren Werkes (siehe Schritt 3.).


Was kommt dabei heraus?

Zettelkatalog: ein Einheitszettel mit der Buchbeschreibung. Davon macht man eine Anzahl Kopien für Schritt 3.
Datenbank: eine Liste von entsprechenden Datenelementen (auch "Datenfelder" oder "Kategorien" genannt).
Übrigens: Beschreibungsregeln sind längst international! Zwar sind RAK und AACR unterschiedlich formuliert, aber was am Ende rauskommt, ist dasselbe. In diesem Bereich macht es also keinen nennenswerten Unterschied, welches Regelwerk man anwendet. Die Norm heißt ISBD (International Standard Bibliographic Description), entwickelt von der IFLA seit 1969. Das Beispiel oben zeigt, wie das aussieht.
Die AACR haben, anders als die RAK, einheitlich angelegte Kapitel für alle vorkommenden Materialien. Die neuen RDA werden diese Vielzahl von parallelen Kapiteln aber aufgeben und alle Beschreibungsregeln verallgemeinert zusammenfassen.

Was kann man vereinfachen?

Die Punkt-Komma-Bindestrich-Regeln der ISBD braucht man in Online-Umgebungen meistenteils nicht mehr zu kennen, denn man gibt Daten in Felder ein und die Software setzt die Interpunktion dazwischen, wenn die Daten dem Nutzer dann wirklich in ISBD-Form angezeigt werden sollen.
Die Beschreibungsregeln bleiben z.T.  wichtig als Vorgaben für die Programmierung, sonst sind zwischen zwei Katalogen die angezeigten Daten nicht mehr gut vergleichbar, was den Nutzer verwirren kann.
  M.a.W.: man sollte diese Dinge nicht dem Gutdünken der Programmierer überlassen.
MARC21 sieht bei vielen Feldern die Eingabe der Interpunktion am Ende vor. Dieses redundante und antiquierte Verfahren soll überwunden werden. Die deutsche Version von MARC21wird diese Eigenart nicht enthalten und deshalb mit dem Format der Library of Congress vorläufig nicht ganz kompatibel sein. Für RDA will man aber solche Anachronismen überwinden: Das Regelwerk beschreibt in den Kapiteln 1 bis 7 nur die Datenelemente, die gebraucht werden, nicht, wie sie anzuordnen sind, um z.B. eine ISBD-Kataloganzeige im OPAC zu erstellen oder einen entsprechenden Eintrag in einer Literaturliste.


Farbe Gelb (wie: zur Geltung bringen)

Schritt 2. Festlegung der Eintragungen
Übrigens gibt es auch die Meinung, man solle diesen zweiten Schritt vor dem ersten tun! Denn vom Ergebnis könne es dann abhängen, welche Einzelheiten man für die Beschreibung braucht oder nicht braucht.

Kapitel 6   (§§ 501-525
Was ist der Einheitstitel?

Kapitel 7   (§§ 601-696
Welche Personen und Körperschaften?

Kapitel 8   (§§ 701-715
Was tun, wenn's  mehrere Titel gibt?


RFK-Kap.21  Sucheinstiege


RDA:  Part 2  Relationships

Was ist zu machen?
Zuerst überlegen (noch nichts schreiben!), an welchen Stellen im Katalog das Buch hinterher zuverlässig auffindbar sein soll - welche Zugriffe oder Sucheinstiege man also dem Nutzer bieten sollte.
Was ist dabei wichtig?
Grundsätzlich können an einem Buch mehrere Personen (als Verfasser, Herausgeber etc.) beteiligt sein, ferner mehrere Körperschaften (Organisationen, Institute etc.), und das Buch kann auch mehrere Titel haben (z.B. einen Paralleltitel in anderer Sprache, auch kann der Umschlagtitel anders lauten). Die Regeln bestimmen, welche dieser Namen und Titel zur Geltung kommen sollen, sprich: zu Eintragungen zu verarbeiten und damit auffindbar zu machen sind, und evtl. in welchen Kombinationen (Person+Titel). Manchmal müssen solche Angaben erst ermittelt werden, so z.B. oft der Originaltitel [Fachwort: Einheitstitel] (wenn die vorliegende Ausgabe eine Überarbeitung ist oder eine Übersetzung).
Was kommt dabei heraus?
Eine Hilfsliste (oft nur im Kopf) von Namen mit Titeln usw., aus denen Eintragungen zu machen sind. (Bei "ganz normalen" Büchern ist es oft nur ein einziger Name, eben der des Verfassers, und ein einziger Titel.) Diese Liste ist nun die Grundlage für Schritt 3.
Für das o.a. Beispiel könnte die Liste so aussehen:  
Mortimer Taube; Mythos der Denkmaschine; Computers and common sense; Rowohlts deutsche Enzyklopädie; Wolfram Wagmuth

Was kann man vereinfachen?
Die Regeln sind bisher sehr umfangreich gewesen, weil man für Zettelkataloge jeweils für ein Buch nur wenige Zettel machen konnte. Einer davon ist dann die besonders wichtige Haupteintragung, mit der sich viele Regeln intensiv befassen. Aber auch die Nebeneintragungen waren sorgfältig zu bedenken, denn jede davon bedeutet einen Zettel, und der will geschrieben und einsortiert sein.  Für Online-Kataloge ist das ganz anders, deshalb ist der RFK-Neuentwurf (Kap.21) sehr viel schmaler: es wird nicht mehr von Haupt- und Nebeneintragungen geredet, sondern nur noch von "Sucheinstiegen". (Engl.: access points, man könnte auch "Zugriffspunkte" oder "Zugriffe" sagen.)
Einer davon spielt aber weiterhin eine wichtigere Rolle als andere: der sog. Einheitstitel. Meistens ist das der Originaltitel eines Werkes (Beispiel oben: Computers and common sense), wenn dieses in mehr als einer Ausgabe erschienen ist. Denn wenn die Titel der Ausgaben dann nicht alle gleich sind, gilt es einen Titel festzulegen, und der gilt dann als Einheitstitel, der in jedem Fall zusätzlich zu erfassen ist. Nur so kann man zusammenführen, was zusammengehört : die vorhandenen Ausgaben des Werkes, auch wenn jede einen anderen Titel hat. Dieses eigentlich schon alte Konzept wurde neu belebt durch das IFLA-Konzept namens FRBR (Functional Requirements of Bibliographic records). Darin wird noch genauer hingeschaut, ob es sich um eine Ausgabe mit verändertem Inhalt handelt (sog. expression) oder um eine inhaltlich gleiche, aber physisch oder im Layout andersartige Version davon (eine sog. manifestation):

Beispiele für "Expression": eine veränderte Neuauflage, Kurzfassung, Übersetzung, illustrierte Ausgabe, Bearbeitung eines Musikstücks für eine andere Instrumentierung. [Eine Verfilmung wird als eigenes Werk betrachtet!]
Beispiele für "Manifestation": Hörbuch, PDF, Word-Datei, HTML-Versionen, Auflagen der Papierversion (Buch), Großdruckausgabe, wobei einige Versionen auch noch auf unterschiedlichen Datenträgern verfügbar sein können.

Dies alles zusammenzuführen, bleibt wichtig - man weiß nie, ob der Endnutzer eine andere Version als die gewünschte akzeptieren oder sogar vorziehen wird - es ist aber bei der heutigen Vielfalt schwieriger denn je. Der Einheitstitel, das alte Hilfsmittel zum Zusammenführen, wird erweitert zu einer Werkbenennung, oder wie man auch sagen könnte, einem Einheitszitat (in RDA wurde citation erwogen, aber verworfen), mit dem genauer angebbar sein soll, was für eine Ausgabe eines Werks man in welcher Version vor sich hat, bzw. um welches Werk es sich dabei überhaupt handelt! Denn die real vorliegenden Titel sind ja leider oftmals gar nicht identisch, wodurch dann keine Software den Hinweis auf das Werk und damit die Zusammenführung automatisch leisten könnte.


Farbe Grün (wie: Hoffentlich findet man das wieder!)
Schritt 3. Ansetzung  
Kapitel 3  (§§ 201-208) : Allgemeine Ansetzungsregeln (insbes. für Titel)    (RFK-Kap.24)    RDA: Chapter 9
Kapitel 4  (§§ 301-342) : Namen von Personen  ( RFK: §§ 301-349 )   RDA: Chapter 9
Kapitel 5  (§§ 401-486) : Namen von Körperschaften    RDA: Chapter 11
Was ist zu machen?
Man nimmt die Liste aus Schritt 2 (vielleicht ist es nur ein einziger Name), und nun geht es um die genaue Schreibweise dieser Sucheinstiege, also der Namen und Titel. Genau diese Form wird dann bei der Suche zum Erfolg führen! Andere Formen, die in der Wirklichkeit ebenfalls vorkommen, sollen beim Suchen gleichfalls zum Erfolg führen? Dazu ist dann noch etwas mehr zu tun, s.u. das Stichwort "Normdaten".

Was ist dabei wichtig?
Das Problem: Der Name einer Person oder Körperschaft ist nicht immer in jedem Buch gleich geschrieben. Für die Einordnung in den Katalog braucht man aber eine einheitliche Form. Das Ziel ist auch hierbei: Zusammenführen was zusammengehört - die gesammelten Werke des Verfassers. Das klappt leider nicht automatisch, wenn ein Name mal so und mal so geschrieben ist. Dazu sind viele Regeln nötig, oft auch Ermittlungsarbeit in Katalogen und Bibliographien.
Verfasserangaben, die in der Beschreibung eigentlich schon stehen - dort jedoch in der "Vorlageform" (z.B. Composition by George Frideric Handel) von  - müssen in diesem Schritt nochmals geschrieben werden, nun aber in der "Ansetzungsform" (z.B. Händel, Georg Friedrich).
Mit den Titeln ist es nicht besser als mit den Namen: Es kommen Sonderzeichen vor, Zahlen, Abkürzungen, Druckfehler etc. Programme können sowas nicht immer korrekt interpretieren, d.h. mit anderen, etwas anders geschriebenen Ausgaben desselben Titels zusammenführen. Man braucht deshalb oft eine normierte Form des Titels, den sog. "Ansetzungstitel", neben der "Vorlageform", wie sie im Buch steht und für das Identifizieren einer Ausgabe wichtig sein kann.

Was kommt dabei heraus?
Bei der Zettelkatalogisierung nimmt man je eine Kopie des in Schritt 1. erstellten Einheitszettels und schreibt die Ansetzungen als Köpfe oben darüber. Das ergibt die fertigen ("geköpften") Katalogzettel. Diese Köpfe könnten für das Beispiel so aussehen:  
Taube, Mortimer (1910-1965): Mythos der Denkmaschine
Mythos der Denkmaschine  [in deutschen Zettelkatalogen wurde keine eigene Eintragung unter dem Titel selbst gemacht]
Taube, Mortimer (1910-1965): Computers and common sense, deutsch
Computers and common sense  [in deutschen Zettelkatalogen wurde keine eigene Eintragung unter dem Einheitstitel selbst gemacht]
Rowohlts deutsche Enzyklopädie ; 245
Wagmuth, Wolfram [Übers.] : Taube, Mortimer, Computers and common sense

Beim Computerkatalog gibt man die Ansetzungen (Namen und Titel) als zusätzliche Datenfelder oder -unterfelder ein. Daraus werden die Suchbegriffe oder Registereinträge für den Schritt 4. 
Was kann man vereinfachen?
Im Zettelkatalog hat man sich z.B. für eine bestimmte Namensform entschieden und dann Verweisungszettel für die anderen Formen gemacht, die sonst noch vorkommen. Im Online-Katalog werden diese Probleme durch Normdaten gelöst: Für eine Person oder Körperschaft wird ein eigener Datensatz angelegt, der alle Namensformen enthält, und der Titelsatz wird damit "verknüpft" - das geht ohne erneutes Abschreiben der Namen! Ist ein Name samt Verweisungen einmal registriert, macht er kaum noch Arbeit, wenn er nochmals vorkommt.  Die Überlegungen, wie der Name zu schreiben ist und welcheVerweisungen gebraucht werden, lassen sich kaum vereinfachen.  Aber man braucht sich mit diesen Regeln schon jetzt und erst recht in Zukunft weniger oft zu befassen, denn die Normdateien, aus denen man schöpfen kann, werden immer größer. International sollen möglichst viele davon vereinigt werden in einer großen Datenbank namens VIAF (Virtual International Authority File), die bisher aber nur Personendaten enthält. Einen guten Eindruck der Vielfalt vermittelt der Eintrag zum Komponisten Tschaikowsky!

Spezialproblem Individualisierung: In Deutschland früher nicht üblich, aber in Zukunft wichtig, wenn man sich besser mit anderen Ländern austauschen will! Die Namensdaten gleichnamiger Personen werden durch Zusätze, vor allem Lebensjahre, eindeutig gemacht und der "Namenssatz" dadurch zum "Personensatz". In großen Katalogen ist dies natürlich viel wichtiger als in kleinen.

RDA kennt neben Personen und Körperschaften auch "Familien" (Chapter 10)


Farbe Grau (wie alle Theorie)

Schritt 4. Einordnung :   Kapitel 9   (§§ 801-823(RFK:  Kap.25 (Codes) und Indexrichtlinien )

Was ist zu machen?
Bei Online-Katalogen ordnet niemand etwas von Hand, sondern dafür ist die Software  zuständig.
Bei Zettelkatalogen ging das Ordnen der "geköpften" Einheitszettel (Beispiele s.o.) im Prinzip rein mechanisch nach dem Alphabet, doch war in großen Katalogen akribische Sorgfalt nötig, denn ein verstellter Zettel, und damit das zugehörige Buch, konnte u.U. dann so gut wie verloren sein.
Was ist dabei wichtig?
Die alphabetische Folge bzw. die Anordnung der Register im Online-Katalog und die Anordnung von Ergebnissen in Kurzlisten sollte im Hinblick darauf durchdacht sein, vorhandene Eintragungen, z.B. bei den sehr produktiven Verfassern, übersichtlich zu machen (Motto: Gefundenes überschaubar machen). Zum Zweck der logischen Ordnung bestehen die Ansetzungsformen oft aus mehreren Teilen: es gibt Ordnungswörter (einzelne Wörter), Ordnungsgruppen (Namen, Titel) und Ordnungsblöcke (Name+Titel). Man hat beim Ansetzen darauf zu achten, an den richtigen Stellen Leerzeichen, Spitzklammern, Schrägstriche u.a. einzusetzen, sonst kann es Ordnungsfehler geben! Denn Programme erkennen nicht den Sinn der Einträge. Sie können also nicht sinngemäß ordnen, sie können nur Zeichen für Zeichen sortieren.
Hilfreich zur Verfeinerung von Abfragen sind normierte Codes z.B. für die Sprache und den Dokumenttyp. Erstmals bezieht derf RFK-Neuentwurf solche Codes in ein Katalogregelwerk ein (Kap. 25).
Was kann man vereinfachen?
In Datensystemen brauchen die KatalogisiererInnen die Ordnungsregeln kaum noch zu kennen: das Zettelgeschäft ist ja komplett weggefallen. Denn hier übernimmt die Software vollständig das Einordnungsgeschäft (das "Indexieren"): Die im Schritt 3. bestimmten Ansetzungen werden in Register oder Suchbegriffslisten einsortiert. Umso wichtiger ist es aber, die Schritte 2. und 3. korrekt durchzuführen, denn jedes Programm ordnet einen falsch geschriebenen Namen ganz mechanisch ein, also eben logisch falsch, einen gar nicht eingegebenen Namen aber gar nicht. Der menschliche Zetteleinleger bemerkt Schreibfehler dagegen u.U. noch beim Einordnen, ein Computer kann nicht in dieser Weise mitdenken. Mit anderen Worten: Was man nicht gut angesetzt hat, das kann eine Maschine auch nicht gut ordnen und leicht auffindbar machen. (Immerhin: ein Online-Katalog bietet ja noch andere Suchmöglichkeiten, d.h. ein Buch geht aus solchen Gründen nicht so leicht "verloren" wie im Zettelkatalog.)
Die Ordnungsregeln sind ansonsten weitgehend "nur" noch Vorgaben für Programmierer. Als solche sollten sie anders formuliert werden: für den Neuentwurf RFK hatte man daher statt dessen Indexierungsrichtlinien angedacht. Im Prinzip müssen solche Richtlinien besagen, in welcher Weise (mit welchen Arten von Eingaben) ein Nutzer einen Namen oder Titel finden können soll. Viele Einzelheiten sind zu bedenken, bis hin zur Behandlung der Umlaute, Bindestriche und Sonderzeichen. Einheitlichkeit in solchen Dingen ist auch wichtig für virtuelle Kataloge, sonst liefert die eine Datenbank ein Ergebnis, die andere aber nicht.

Die angelsächsischen Regeln haben in dieser Hinsicht einen Nachholbedarf: sie enthalten bis heute überhaupt keine Ordnungs- oder Indexierungsregeln, auch die RDA nicht, und schärfen deshalb nicht die Problemerkenntnis auf seiten der Entwickler von Online-Katalogen.






B.Eversberg, UB Braunschweig, 2003-03-03 / 2011-11-22