Katalogisieren?
Besonders
schwer kann das doch nicht sein!
...
denkt jeder, der zum ersten Mal von dieser Tätigkeit etwas
hört. Aber warum man dazu ein dickes Regelbuch mit ein paar
hundert
Paragraphen
brauchen sollte, das leuchtet auf Anhieb wirklich niemandem
ein.
Allerdings: anfangs denkt auch niemand, Klavierspielen z.B.
könne
besonders
schwierig sein. Bis man es versucht...
"Aber
Moment mal!" werden Sie jetzt, auf der Höhe der Zeit,
einwerfen wollen:
"Ist sowas überhaupt noch zeitgemäß?
Suchmaschinen
im Internet machen alles vollautomatisch, Katalogisieren ist doch wohl
was von gestern!" Es wurde schon gestern oder
vorgestern
erfunden,
das stimmt. Wenn alles online wäre, könnte man
Suchmaschinensoftware
drauf ansetzen und mal schauen, wie's dann geht. Es ist
aber
nicht
alles online, und zwar beiweitem nicht. Noch immer kommt
ständig Neues
hinzu, in großen Massen, was alles nicht online ist.
Qualitätsware,
die auf Papier oder CD Geld bringt, die wird auch auf Papier oder CD
rausgebracht
und nicht online. Von allen existierenden Büchern sind
vielleicht
1% der Texte online, viel mehr sicher nicht. Anzunehmen, das sei schon
alles Wichtige und der Rest tauge nicht mehr viel, das wäre
denn doch
arg daneben. Es hilft also nichts, Katalogisierung ist noch nicht
verzichtbar.
Aber gut, wir checken mal ab, ob man nicht alles ganz ganz einfach
machen
kann...
Aktueller Hinweis:
Die
Suchmaschinenfirma Google hatte auch irgendwann den Eindruck, es sei
wohl sehr vieles noch nicht online, und will dem abhelfen: man ist seit
Ende 2004 dabei, Bücher mit
einzubeziehen, und zwar sowohl alte (in Kooperation mit Bibliotheken)
wie auch neue (in Kooperation mit Verlagen: Google Buchsuche).
Viele Millionen werden investiert. Nach einer Anfangsphase, in der man
völlig autark nur mit automatisierten Methoden arbeitete, werden
inzwischen immer mehr echte Katalogdaten einbezogen. Aber wir wollen
nicht abschweifen.
Schauen
wir uns zuerst als Beispiele CD-Aufnahmen mit klassischer Musik an. Das
ist interessanter, als wenn man irgendwelche Bücher hernimmt.
Dieselben
Probleme treten aber alle auch bei Büchern und anderen zu
katalogisierenden
Objekten auf, nur manche nicht ganz so oft.
Zwei
der berühmtesten Werke der E-Musik sind Mozarts "Kleine
Nachtmusik"
und Beethovens "Fünfte". So etwas Bekanntes sollte doch leicht
zu
katalogisieren sein?
Sofort
kommt jetzt nochmal die Frage: Ist das überhaupt
noch nötig? Man
stellt sie ins Regal unter Beethoven und Mozart, und fertig.
Da findet
sie doch jeder.
Bei
einer kleinen Sammlung mag das wohl so sein, doch gibt es auch dabei
schon
Probleme:
· Sowohl
die "Nachtmusik" wie die "Fünfte" sind sehr oft nicht das
einzige
Werk auf der CD, denn dafür sind sie zu kurz. Wenn nun z.B.
beide
zusammen auf einer Platte sind - wo stellt man die
dann hin?
· Außen
auf der Platte steht nicht immer das, was zur Einordnung nötig
wäre,
sondern irgendein Titel, den der Produzent für attraktiv
gehalten
hat: "Klassische Serenaden" oder "Schicksals-Symphonie".
(Für beide
Phänomene
gibt es jede Menge extreme
Beispiele!)
Für
Sammlungen mit mehreren tausend Objekten wird es völlig
unmöglich,
ohne Katalog auszukommen, vor allem natürlich dann, wenn die
Sammlung
nicht offen aufgestellt werden kann, sondern in einem geschlossenen
Magazin
steht. Wichtig ist aber auch, gerade bei großen Sammlungen,
ob man von außen (über das Internet) in den Katalog
schauen
kann - um schnell festzustellen, ob sich's lohnt, hinzugehen!
Ums
Katalogisieren kommt man also nicht herum; seufz. Aber kompliziert
braucht's doch wohl nicht zu sein?
Aufstellung
unter dem Komponisten (oder dem Verfasser, bei Büchern), na
ok, das
geht wohl nicht. Das Einfachste wäre dann, jeder CD eine
laufende
Nummer zu geben und sie hintereinander aufzustellen. So spart man sich
auch das dauernde Herumschieben in den Regalen, wenn irgendwo der Platz
knapp
wird, und das Einsortieren nach Nummer kann eine Hilfskraft machen. Man
braucht
dazu
nichts weiter als eine Liste mit Komponist und Titel - und was noch?
Ach
ja,
die laufende Nummer (oder was sagt man dafür, Signatur?) Damit
reicht's
doch!
Also
katalogisieren wir frechweg so:
Beethoven:
Fünfte. Nr. 1234, 2567
Mozart:
Nachtmusik. Nr. 2567, 4109
Dann
kann jeder sofort diese Werke finden. Und man sieht auch gleich: jedes
dieser
beiden Stücke ist zweimal vorhanden; und: auf der Platte 2567
sind offenbar
beide Stücke drauf – Problem gelöst.
Banalität
Jetzt kommt ein ganz
wichtiges
Aha-Erlebnis:
große
Sammlungen machen größere Probleme als kleine.
Klingt
banal, zugegeben. Man merkt das aber erst so richtig, wenn man
mittendrin
ist.
In
großen Sammlungen hat man viele Namen und
viele Titel,
das ist natürlich banal. Aber was soll's?
Wir haben Plattenspeicher ohne Ende! Darum geht's aber nicht:
Schauen
wir uns Namen und Titel mal
näher an!
Namen
Das
Alltagsleben lehrt: es ist viel schwerer, im Telefonbuch einer
Großstadt einen
"Schmidt"
oder "Müller" zu finden, wenn man den Vornamen
nicht weiß, als
einen "Beethoven"oder "Mozart".
Das ist auch in Katalogen so. Nehmen wir mal an, wir haben 100.000 CDs
(oder Bücher etc.) zu katalogisieren! Am Anfang weiß
man gar
nicht, welche Namen eigentlich oft und welche selten vorkommen werden.
Und wenn schon Vornamen, denn schon einheitlich im ganzen Katalog. Man
könnte ja keine Regel aufstellen wie "Seltene Namen ohne,
häufige
Namen mit Vornamen". Das heißt also, wir
müssen so
katalogisieren:
Beethoven,
Ludwig van: Fünfte. Nr. 1234, 2567
(Oder
"van Beethoven, Ludwig"?
Oder mal so, mal so?)
Mozart,
Wolfgang Amadeus: Nachtmusik. Nr. 2567,
4109
Manche
Namen machen's einem aber sauer, Tschaikowsky
zum Beispiel. Den
schreibt man
in jedem Land anders. Hat man eine internationale Sammlung, kommt
vieles
zusammen: bei der Library of Congress fand man 38 verschiedene
Schreibweisen
für den Namen dieser Persönlichkeit. Das glauben Sie
nicht? Schauen
Sie selbst. Es fehlen dabei sogar noch zwei Formen: das
russische Original in kyrillischer Schrift und dann diese:
Čajkovskij,
Pëtr I.
(das
ist die vom Deutschen Musikarchiv, also die RAK-WB-Form).
Aber schon so
einer wie Georg
Friedrich Händel ist nicht ohne: In England
schrieb er sich selber
"Handel",
ohne Pünktchen, und so tun es die Angelsachsen bis heute, und
mit "George Frideric" als Vorname. Was bedeutet das
für die Suche? Die deutschen Umlaute
sind ein ganzes
Kapitel für sich...
In
Zettelkatalogen hat man früher für jede Schreibweise
einen Verweisungszettel
gemacht mit "... siehe Tschaikowsky". In einer Datenbank ist
die
Lösung ein Normdatensatz, der die Liste dieser Formen
enthält
und dann irgendwie dafür sorgt, eine falsche Eingabe wie "Chaikovski"
auf die richtige umzubiegen.
(Einen
Unterschied
sieht
man nebenbei: In Washington tun sie immer noch die Lebensdaten hinzu,
1840-1893,
damit der Name auch wirklich eindeutig wird - man weiß ja
nie...
Und noch was: das Č
, also C mit Haček, das ist vorhanden in Berlin,
nur
der Web-Katalog
gibt's nicht her. Beim Suchen allerdings, da braucht man's nicht
einzugeben
- und wer weiß auch schon, wie das ginge?)
Titel
Die "Fünfte"
taucht oft als "Schicksals-Symphonie" auf, wie man weiß.
Auf den Platten findet man aber auch "Sinfonie op. 67 in c-moll" oder
"Symphony
no. 5 in C minor" oder "Destiny majeur" und viele andere
Formulierungen.
Weil sich unter "Beethoven" leicht mehrere hundert Einträge
sammeln,
wird es für den Endnutzer dann sehr unübersichtlich.
Der erwartet
nämlich, die vorhandenen Versionen der Fünften alle
zusammen
zur Auswahl angeboten zu bekommen. Er will nicht endlose Listen
durchforsten
müssen und bei jedem Titel nachdenken, ob das wohl eine
weitere Version
ist oder nicht. Der Katalog soll, anders gesagt, zusammenführen, was
zusammengehört. Also müssen wir schon
beim Katalogisieren aufpassen
und merken, aha, "Destiny majeur" ist eine Aufzeichnung der
Fünften!
Aber ist dann "Fünfte" wirklich als Titel brauchbar? Es gibt
auch
eine fünfte Klaviersonate und eine fünfte
Violinsonate, nicht
zu reden vom berühmten fünften Klavierkonzert
(welches oft als
"Emperor" daherkommt - auch ein Name, den Beethoven nicht selber
erfand, der aber auf manchen Platten steht).
Bei
Büchern hat man dieses Problem nicht ganz so oft. Denken Sie
aber
z.B. an Goethes "Faust", an die Bibel, an "Grimms Märchen" und
ganz
allgemein an Bücher, die in Übersetzungen
erschienen sind:
das sind alles Fälle, wo mehrere Titel für denselben
Inhalt in
der Welt herumschwirren. Es ist nicht vorhersehbar, mit welcher
Titelversion
ein Nutzer kommen und suchen wird! Aber meistens kennt er nur eine
Version sucht genau nach dieser, das ist ganz normal. Er wird also
nicht nach "Fünfte" suchen, sondern nach "Destiny majeur",
wenn ihm der
Titel so zitiert wurde. Überhaupt
sollte man, was die Fragen der Nutzer angeht, mindestens drei
Standardsituationen
unterscheiden:
- Der
Nutzer hat sich ein bestimmtes Zitat aufgeschrieben und möchte
genau
die damit gemeinte Ausgabe des Werkes. Er hat also einen konkreten
Titel,
z.B. "Sinfonie in c-moll, op. 67" mit Karajan als Dirigent, und will
dann in der Lage sein, genau
diesen flott zu finden.
- Der
Nutzer hat nur vor, sich die Fünfte mal anzuhören,
egal wie sie
betitelt wurde. Er soll also unter "Beethoven, Ludwig van:
Fünfte"
tatsächlich was finden können. Einfach alles
durchsehen, was unter Beethoven steht, das geht zu weit (in diesem und
auch in den anderen beiden Fällen)!
- Der
Nutzer ist wissenschaftlich interessiert und will Vergleiche zwischen
verschiedenen
Aufführungen anstellen. Er braucht dann eine Liste der
vorhandenen
Exemplare von Aufzeichnungen der "Fünften", egal wie deren
konkrete Titel lauten.
Dieselben
Situationen treffen auch für Bücher zu,
überlegen Sie sich
das mal als Übung. (An sich kein schlechter Gedanke,
oder? Sich
auszumalen, was für Situationen es gibt bei der Katalogsuche
...
behalten
wir das mal im Hinterkopf !)
Aber
wie erreicht man das alles? Bibliothekare
haben dafür eine Erfindung gemacht: den Einheitstitel.
Man gibt jedem Werk einen genau festgelegten Titel (naja,
dafür
braucht's schon auch
ein paar Regeln...) und tippt diesen Einheitstitel in jedem Fall mit
ein, wenn es irgendeine sonstwie betitelte Ausgabe
des Werkes zu
erfassen gilt. Dann werden, eben über diesen einheitlichen
Titel, Nutzer 2 und
Nutzer 3 alle vorhandenen Versionen sofort auffinden können.
Derjenige Titel
aber, der auf dem konkreten Objekt wirklich draufsteht,
der sog. Vorlagetitel,
der ist in jedem Fall einzugeben, sonst kommt Nutzer 1 nicht
zum Zuge – sein irgendwo gefundenes Zitat nennt sehr
wahrscheinlich nur
den
Vorlagetitel,
weil den der Schreiber des Zitats normalerweise einfach abgeschrieben
hat und sonst nichts.
Für die
"Fünfte" lautet
der Einheitstitel (nach RAK-Musik) Sinfonien
op. 67.
Dies
wäre demnach beim Katalogisieren
zusätzlich einzugeben,
und unter diesem Titel sammeln sich bei entsprechender Indexierung alle
Einträge zu diesem Werk.
Ein
Problem ist dann freilich dieses: Nutzer 2 und 3 müssen den
Einheitstitel
"Sinfonien op. 67" zuerst kennen, bevor sie damit
suchen
können. Weil man das aber nicht voraussetzen kann, sollte der
Katalog sofort
einen Hinweis geben - wenn eine der Varianten
gesucht und
gefunden
wird - was für andere Varianten gibt und
wie man sie alle
zusammen
finden kann unter dem speziellen Titel "Sinfonien op. 67".
Ein
Online-Katalog
kann sogar einen Hyperlink anbieten, der etwa lautet:
"Liste der vorhandenen Ausgaben
dieses Werkes". Wenn
dieser Hyperlink bei jedem der konkreten Titel auftaucht, braucht der
Nutzer
gar nichts vom Einheitstitel zu wissen. Beim Zettelkatalog wurde er an
eine
bestimmte Stelle verwiesen, also auf den Weg geschickt zu einer
anderen Schublade. Für die "Fünfte" sollte es
somit einen Normdatensatz geben, in dem als Auffindehilfe "Die
Fünfte"
und "Schicksalssinfonie" als Verweisungstitel drin stehen, nicht nur
"Sinfonien
op. 67". Dann könnte das so gehen: er tippt "Beethoven
Fünfte"
ein, das Programm stellt fest: "aha, dazu haben wir den Einheitstitel Sinfonien
op. 67, also zeigen wir ihm alle Einträge dazu. Oder
fragen ihn
"Meinten Sie vielleicht ...?"
Ach so, die
Nachtmusik?
Da lautet der Einheitstitel ganz naheliegend "Eine kleine Nachtmusik".
Nicht "Serenaden KV 525", das wird da nur als Verweisung verwendet -
und so
kann's dann auch zwischen den anderen Serenaden gesucht und gefunden
werden.
Wenn Ihnen das mit dem
Einheitstitel jetzt betulich vorkommt, dann schauen Sie mal bei Amazon
rein. Die Burschen und Mädels in der Klassik-Abteilung dort
haben
irgendwann auch gemerkt, wie nützlich sowas ist. Für
die Fünfte
haben sie sich diesen ausgedacht: Symphony
No. 5 in C minor ("Fate") Op. 67.
Bei der Library of Congress heißt es ganz ähnlich,
aber nicht
ganz genauso: Symphony
no. 5, in C minor (op. 67).
Wenn man sich eine grenzüberschreitende,
katalogübergreifende
Suche ("virtueller Katalog") vorstellt, erkennt man: eine
höchst
interessante
Aufgabe, diese Dinge zusammenzubringen. Momentan
klaffen sie auseinander. Und die Folge? Das Weiterleiten einer Anfage
von
einer Datenbank zur anderen kann nicht die
erwünschten
Resultate
erbringen - was bei der einen klappt, bringt bei der anderen
womöglich
gar nichts.
Aber
schon wenn man gar keinen Katalog macht, sondern nur eine simple Liste,
sind Überlegungen zur Vereinheitlichung der Titel
nützlich.
Als Beispiel hätten wir eine Liste Klassische
Musik im Film anzubieten:
Geordnet nach Komponist und dann unter dem Komponisten nach Werktiteln
sieht
man darin, in welchen Filmen einzelne Werke verwendet worden sind.
Diese Liste würde wie Kraut und Rüben aussehen, wenn
in der Datenbank, aus der sie
stammt, bei der "Fünften" mal "Fünfte" und mal
"Schicksalssymphonie"
und mal "Sinfonie op. 67" stünde.
Falsche
Sparsamkeit
Nochmal
zu der Frage, was denn alles für Einzelheiten einzugeben sind
oder eben nicht. Wir wollen
beim
Katalogisieren nicht viel eintippen, denn das ist ja Arbeit. Aber etwas
fällt einem spätestens nach einer Weile denn doch
auf: Wenn
wir unter "Beethoven: Fünfte" nichts anderes im Katalog sehen
als
die Nummern der Platten, zwingen wir den Nutzer, zu den Regalen zu
gehen und sich
diese Nummern alle herauszusuchen, um eine bestimmte
auszuwählen. Das
ist entnervend. Etwas mehr als nur "Beethoven: Fünfte" sollte
deshalb
der Katalog doch hergeben, d.h. ein paar mehr Einzelheiten sollte man
eingeben.
Aber was? Orchester, Dirigent, Solisten, Opusnummer, Instrumentierung
(Stimmenbesetzung),
Aufführungsdatum, Zeitdauer, ... da kann manches
zusammenkommen, was
im Einzelfall mal interessant sein könnte. Und wonach
vielleicht mal
jemand suchen will. Mal dies und mal jenes einzugeben, nach
Gutdünken
und momentaner Laune, das wäre wohl nicht so gut. Ein paar
Vorschriften
dafür könnten nicht schaden, dann braucht man nicht
jedesmal nachzudenken.
Solche Vorschriften nennt man Beschreibungsregeln.
Was dadurch
entsteht,
nennt man bibliographische Beschreibung. Wenn die
gut gemacht
ist,
kann die schnelle Auswahl unter den vorhandenen Ausgaben direkt am
Katalog stattfinden, der Weg zu den Regalen also entfallen - das ist
ihr Sinn und Zweck: schon
am Katalog unterscheiden, was verschieden ist. (Und
später, vor dem Bestellen und beim
Katalogisieren neuer Ausgaben, sind wir natürlich auch froh,
wenn
im Katalog erkennbar ist, welche wir schon haben...)
Auch hier könnte
man einen Blick über den Zaun zu Amazon riskieren. Erreichen
die mehr
mit weniger Arbeit? Keinesfalls, sondern da wird ganz offensichtlich
katalogisiert,
und zwar massiv, denn sie haben alle einzelnen Stücke
auf den
CDs eingegeben, nicht nur die CDs als solche, und bei jedem
Stück den
Komponisten und das Orchester dazu, und offenbar haben sie für
alles
dieses intern ihre Normdaten, sonst könnte man die Namen nicht
anklicken
und dazu respektable Ergebnismengen erhalten. Da passiert also
entschieden
mehr als Suchmaschinentechnik mit automatischem Einscannen der
vorliegenden
Titel oder sowas. Wäre hochinteressant, darüber mehr
zu erfahren.
Bei den Dingen,
die
man zusätzlich eingibt, sind mit Sicherheit auch wieder
welche, nach
denen jemand dann suchen können will. So z.B. die
Stimmenbesetzung
- da sind praktizierende Musiker ausgesprochen scharf drauf! Besonders
einfach ist dieses aber gerade nicht, und auch in den "RAK-Musik" ist
das
nicht so recht überlegt worden: an das Suchen hat man dabei
nicht gedacht, nur ans Aufschreiben.
Die
vierte
Dimension
Von
drei Standardsituationen war vorhin die Rede.
Schlimm
genug, aber es gibt noch eine: Der Nutzer sucht
kein bestimmtes
Werk von einem bestimmten Komponisten, sondern will mal schauen, was
denn
alles für Sinfonien vorhanden sind, oder Serenaden. Suchbefehl
"find
sinfonie" - fertig? Nicht ganz. Oft hat der Produzent "Symphonie"
und nicht "Sinfonie" draufgedruckt. Wenn man nur
"Symphonie"
katalogisiert - findet's keiner, der "sinfonie" eintippt.
Und wenn man
eingibt
"find serenaden" - findet man die Titel nicht, in denen es "Serenades"
heißt,
und schon gar nicht, wenn nur "Kleine Nachtmusik" draufsteht und
katalogisiert
wurde. Alles ganz banal, aber wer denkt
denn beim Suchen an sowas? Nicht
jeder.
Noch schlimmer: der Nutzer könnte "Alles von Beethoven"
wollen, aber
nicht die Orchesterwerke. Oder nur
diese. Oder nur Trios.
Wie soll sowas gehen? Wie macht Google das? Macht es gar nicht,
obwohl's
vielleicht so scheint. Die Nutzer können nur dies und das und
jenes probieren
und kriegen in jedem Fall irgendwelche, aber unterschiedliche und
unvollständige Listen,
ohne erkennen zu können, ob es noch viel mehr gibt oder ob das
Wichtigste
für den jeweiligen Zweck schon dabei ist. Etwas besser als das
sollte ein
Katalog denn doch sein. Dann müssen da aber mehr Dinge
drinstehen als das und
nur
das, was auf den Publikationen draufsteht, denn
offenbar reicht
das nicht. Man braucht noch mehr: Begriffe oder Bezeichnungen
für
die Themen oder Inhalte - also was eben wirklich drin steckt, auch
wenn's
im Titel nicht genannt wird. Sowas nennt man Sacherschließung.
Traditionell ist das in den Bibliotheken getrennt, früher
waren es
separate Zettelkataloge. Aber heute steht alles im selben
Online-Katalog.
Nur: das Eingeben dieser Dinge bleibt einem immer
noch nicht erspart, auch in eine
Datenbank
kommt nichts von selber rein. Ist aber ein Riesenthema
für
sich, die Sacherschließung; diese Pandorabüchse
bleibt heute
mal zu. Dafür gibt's ein anderes Kapitel.
Darf's
noch
etwas
mehr sein?
Das
ist immer noch nicht alles, leider. Wenn man anfängt
zu
katalogisieren,
findet man ständig neue Probleme, das ist das Interessante an
dem Job.
Denn die Phantasie derer, die Bücher oder CDs usw.
produzieren, ist
grenzenlos. Nur an eins denken sie anscheinend selten: ob man die
Produkte
hinterher
leicht auffinden kann. Im Internet sieht das nun aber anders aus!
Da machen sich viele Leute Gedanken, wie sie ihre Website in Google
ganz
nach oben katapultieren könnten. Sie schreiben bestimmte
Wörter
zigmal rein, unsichtbar - damit Google denkt, das sei was
ganz
wichtiges
zu dem Thema. Solche Tricks werden sogar verkauft. Aber ob
Bücher
in Katalogen leicht gefunden werden können, wie gesagt,
scheint Verlage wenig
zu interessieren. Also müssen, ob sie wollen oder nicht,
Bibliothekare
dafür das Nachdenken übernehmen.
Aber nicht zuviel
auf
einmal! Lassen wir heute mal beiseite, was für
Späße es
sonst noch
gibt: Mehrteilige Werke, wo
jeder
Teil einen eigenen Titel hat; Serien und Zeitschriften, die gerne den
Titel ändern; Loseblattsammlungen; Neuauflagen mit neuem
Titel;
Bücher ohne Verfasser; Bücher, die von Vereinigungen
(sog. Körperschaften)
rausgebracht werden und nach denen vielleicht auch jemand suchen will -
aber
die ändern dann auch noch ihre Namen, oder sie haben mehrere,
usw.
usf.
Mit diesen
Vorbemerkungen
sind wir einigermaßen gerüstet, uns noch etwas mehr
Katalogisierungs-Theorie
zuzumuten. Das machen wir aber möglichst konkret, und zwar mit
der
Frage: Wie katalogisiert man
ein Buch? Wir schauen genauer
hin,
in welchen Schritten das gemacht wird und was man sich dabei zu
überlegen
hat. Hier ist das alles mal übersichtlich aufgeschrieben:
http://www.allegro-c.de/regeln/rak-einf.htm
Und damit kommt man der Frage dann schon näher, ob
man
ein dickes
Regelbuch wirklich braucht...
Wer schon die Regeln einigermaßen kennt und sich fragt, wie
das alles
weitergehen soll, für den gibt es ein Kapitel mit
Überlegungen zur Zukunft der
Katalogisierung, vorgetragen auf dem
Österreichischen Bibliothekartag 2004 in Linz.
Und noch eine
Zugabe: Was
sind
eigentlich
Dateien?
Das
Gerücht mag ja falsch sein, aber es soll Leute geben, die
nicht so
recht wissen, was denn Daten und Dateien
eigentlich
wirklich
sind. Angeblich trauen sie sich nicht, mal zu
fragen. Oder sie
machen
sich's bequem und meinen, das brauche man auch alles nicht zu wissen.
(Die
fallen aber dann ganz schön rein, wenn's mal drauf ankommt.
Sie
befinden
sich, wie Kant es gesagt hätte, in "selbstverschuldeter
Unmündigkeit".)
OK, falls da was dran ist, und wo wir schon mal dabei sind, legen wir
noch
ein Extra-Kapitel
bereit, das mal den Versuch macht, Licht in diese Materie zu bringen.
Fundamente
freizulegen, sozusagen, die Microsoft mit dicken Schichten von
Oberflächen-Brimborium überbaut und zugekleistert
hat. Selbst ein Buch wie "PCs
für Dummies" enttäuscht leider an dieser Stelle: es
macht einen
Bogen um die Frage, was Dateien wirklich sind und aus was sie bestehen.