Fragen für die Studie zur AACR-Einführung

2001-12-28 / 2002-12-03


Der Standardisierungsausschuss hat auf seiner Sitzung am 6. Dezember 2001 den Tagesordnungspunkt "Einführung anglo-amerikanischer Regeln und Formate?" diskutiert und dazu folgenden Beschluss gefasst:

"Der Standardisierungsausschuss strebt grundsätzlich einen Umstieg von den deutschen auf internationale Regelwerke und Formate (AACR und MARC) an. Dazu sind in einer Studie die Rahmenbedingungen, Konsequenzen und der Zeitablauf insbesondere unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu  erarbeiten. Die Weiterentwicklung der RAK sollte in diesem Zusammenhang nur noch unter unabdingbar notwendigen und internationalen Entwicklungen nicht zuwiderlaufenden Modifikationen verfolgt und spätestens zum Jahresende 2003 eingestellt werden."

In einer Sitzung am 27.11.2002 wurde dieser inzwischen so genannte "Nikolausbeschluss" modifiziert, wobei man den dazu eingegangenen Anträgen des GBV und des BVB folgte. Statt des letzten Satzes heißt es nun:
"Die Weiterentwicklung der RAK soll unverzüglich wieder aufgenommen und bis zum Abschluss der Studie in Angleichung an internationale Regelwerke fortgesetzt werden. Die dabei erzielten Ergebnisse sind bei der endgültigen Entscheidung über das weitere Vorgehen zu berücksichtigen."

Die Arbeit an der geplanten Studie hat im Nov. 2002 begonnen. Wichtig ist, einen Überblick der anstehenden Probleme zu gewinnen. Dazu soll diese Unterlage beitragen.

Hinweise: Eine allgemeine Materialsammlung zu RAK/AACR/MARC/MAB ist an der UB Augsburg bereitgestellt worden.
Eine Sammlung weiterer Materialien zu Formaten und Regelwerken: http://www.allegro-c.de/formate/


Aus Diskussionen und Äußerungen der Zeit nach dem "Nikolausbeschluss" wurden die nachfolgenden Fragen und Hinweise herausdestilliert und grob sortiert zusammengestellt. Dank geht an Herrn Dr. Geißelmann, der eine längere Liste beisteuerte.

 
Zunächst aber eine knappe Auflistung der wichtigsten Fragen, für den eiligen Leser, angeordnet nach vier Aspekten. Anschliessend eine längere Liste von einzelnen Fragen, die diskutiert werden müssen - in der Studie oder anderswo.


Die Problematik des Übergangs hat vier Dimensionen (mindestens)
Wobei davon auszugehen ist, dass Format und Regelwerk nicht beide und nicht gleichzeitig umgestellt werden müssen: Man könnte MARC21 einführen (d.h. MAB2 abschaffen) und trotzdem bei RAK bleiben. Lokale Systeme könnten sogar bei MAB bleiben, wenn sie die notwendigen Schnittstellen (Konverter) haben. Dies muss klar und deutlich gesagt werden, weil es in dieser Frage unterschiedliche Meinungen gegeben hat.

1. Politische Dimension


2. Ökonomische und organisatorische Dimension


3. Qualitative Dimension


4. Psychologische Dimension


Die konkreten Einzelfragen sind nach einigen Oberbegriffen gegliedert.

Grundsätze

Wenn ein anderes Regelwerk eingeführt wird, muß man sich u.a. über dessen theoretisch-logische Grundsätze im Klaren sein. In einer Zeit der Umbrüche, wie wir sie erleben, muss man die Grundsätze womöglich neu bewerten, ergänzen oder modifizieren.
Die AACR und die RAK fußen beide auf dem "Statement of Principles" der IFLA-Konferenz von Paris 1961 und auf die ISBD-Normen, die ihren Ausgang von einer Internationalen Konferenz in Kopenhagen 1969 nahmen. Insofern sollte man nicht mit einem scharfen Bruch zu rechnen haben, doch die Diskrepanzen sind größer als man meinen könnte (s. Rez. d. AACR2 in ZfBB 27(1980)5, S.413-17). Andererseits wurden diese Fundamente vor etlichen Jahrzehnten gelegt, lange vor der Heraufkunft des Online-Zugriffs und der weltweiten Vernetzung. Daher ist ein Nachdenken über die Grundsätze überfällig und ihre Überarbeitung dringlich. Für RAK wurde solches bislang gleichwohl nicht geleistet, für die AACR ist eine Darstellung der Grundsätze vor kurzem in einem ersten Entwurf erschienen, nachdem eine Tagung zur Zukunft der AACR (1997) diese Aufgabe formuliert hatte. Eine deutsche Übersetzung dieses wichtigen Entwurfs liegt bereits vor. Es ist evtl. noch früh genug, an dessen Diskussion aktiv teilzunehmen. Der Entwurf soll in eine neue, allgemeinverständliche Einführung zu den AACR münden. Eine solche Einführung ist lange schon auch ein Desiderat für die RAK, wenngleich die RAK mit dem Kapitel 1 eine strukturierte Einführung in die Begrifflichkeit bieten. Die AACR haben dagegen nur ein alphabetisches, noch dazu unvollständiges Glossar.
Von der IFLA wurde fast 40 Jahre nach Paris, ohne gezielten Bezug auf existierende Regelwerke und Formate, ein neuer Entwurf  herausgebracht, Functional Requirements of Bibliographic Records" (FRBR), der auch in Metadaten-Kreisen viel diskutiert wird, und auf den sich das genannte Grundsatzpapier ausdrücklich bezieht.  RAK und AACR mit ihren hergebrachten Datenmodellen entsprechen bisher keinesweigs voll dem IFLA-Modell. Das jedoch ist wohl mehr eine Frage der Anwendungspraxis als der wahren Möglichkeiten der Regeln und Formate! RAK-Daten, so ist zu konstatieren, kommen dem Modell ein gutes Stück näher, insbesondere in den Grundbegriffen und in der Abbildung "hierarchischer Strukturen" . AACR ermöglichen  solche Strukturen ebenfalls, sie werden aber nicht praktiziert.
Im Jahre 2003 beginnt die IFLA in Frankfurt mit einer Serie von Konferenzen zur Verbesserung der internationalen bibliographischen Kontrolle. Dies ist eine Chance, Erfahrungen aus unserer Regelwerksarbeit einzubringen und evtl. sogar der AACR-Welt Denkanstöße zu geben.
 

Nutzerstudie / Bedarfsstudie

Sollte nicht auf jeden Fall mehr Klarheit geschaffen werden, was Nutzer in Deutschland wirklich brauchen? Wo liegen die größten Defizite der Kataloge, wie sie jetzt sind? Kann AACR-Einführung abhelfen - oder sind ganz andere Maßnahmen dringender, wie etwa

Ziele der Migration

"Internationalität" und "Heraus aus der Isolation" sind zunächst einmal nicht viel mehr als Schlagworte. Dies allein reicht nicht zur Begründung eines Umstiegs der anvisierten Dimension und Tragweite.
Migrationsstrategie
Hier können vorerst nur wenige Hinweise gegeben werden:
Umstellungsaufwand
Laufender Aufwand für Katalogisierung (nach der Umstellung)
 
Normdateien und Verknüpfungen, Transkription
 
Sacherschließung
Sacherschließung gehört an sich nicht zum Thema.  Wie schon bemerkt (unter "Strategie"), ist aber in der AACR-Welt die Katalogisierung eine Gesamtheit. Aber auch bei uns gibt es aus Nutzersicht keine Trennung der Katalogformen mehr. Einige Fragen sollte man deswegen dazu wohl diskutieren:
Wie wird mit MARC verfahren? Soll MAB abgeschafft werden?

Einsparungsmöglicheiten

   Nutzung von AACR-Daten Andererseits: Wie homogen sind RAK-Daten überhaupt? Es gab/gibt nicht nur ein RAK! Wieviele Verbunddaten sind konvertierte Vor-RAK-Altdaten bzw. abgeschriebene Zettel- und Bandkataloge ohne Autopsie? Wieviele sind schon unveränderte MARC-Daten (etwa durch Studenten einfach angehängt in Retro-Projekten)?

OPAC

Amerikanische Software - wo liegen Hindernisse?

Regelwerkspflege

Verbesserungen in RAK / MAB möglich?

für den Fall, daß die Umstellung auf AACR sich als undurchführbar, nicht durchsetzbar oder unklug erweist:

Letzte Frage

Wäre nicht ein bedingungsloser, vollständiger Nachvollzug die einzige wirklich duchgreifend und umfassend Aufwand sparende Lösung im Vergleich zur RAK-Weiterführung?
Denn: Nur so könnte wirklich das Tagesgeschäft weitgehend Hilfskräften überlassen werden (wie es in den USA geschieht), und mit noch vorhandener ausgebildeter Fachkapazität könnte man konzertiert und konzentriert an den Normdateien arbeiten. Immer mehr könnten dann Nutzer, ohne es wirklich zu merken, beim Sucheinstieg über die verlinkten Normdaten an die richtigen Stellen geführt werden, ohne daß die Bücher jeweils "angefaßt" und mit deutschen Normdaten verknüpft werden mußten.
Allerdings wäre dann die Diskrepanz zwischen Alt- und Neudaten größer als bei "moderaten" Lösungen mit Sonderregeln, und das wäre durchaus ein längerfristiges Problem.
Sollte das Fernziel tatsächlich so aussehen, muß man sich über die Abhängigkeit klar sein, die damit verbunden wäre.

B. Eversberg,  UB Braunschweig  2002-08-28 / 2002-12-03